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Passt eine Solaranlage auf das Dach? Und wenn ja: Lohnt die sich denn auch? Die Stadtwerke Dreieich kennen diese und weitere Fragestellungen, wenn es um die Installation von Photovoltaik(PV)-Anlagen geht, nur zu gut. Schließlich bieten sie ihr PV-Pachtmodell Solarpur schon seit fast zehn Jahren an. Eine KI-basierte Software, entwickelt von den Dreieicher Abiturienten Jacob Bürkle, Marcel Decker und Max Schmidt, könnte zukünftig rund um Machbarkeitschecks und Wirtschaftlichkeitsanalysen einiges vereinfachen.
„Als meine Eltern darüber nach dachten, sich eine Photovoltaikanlage aufs Dach bauen zu lassen, fiel mir auf, dass Laien kaum eine Möglichkeit haben, selbst herauszufinden, ob das Dach geeignet ist“, erklärt Marcel Decker. Gemeinsam mit seinen beiden Mitschülern suchte er daher Anfang 2023 nach einer Lösung, mit der sich das Potenzial für PV-Anlagen erkennen lässt. Schnell war ihnen klar, dass künstliche Intelligenz dabei eine wichtige Rolle spielen könnte, und sie begannen zu tüfteln. Schon im Sommer hatten sie eine Software entwickelt, die im Bereich Photovoltaik und Solaranlagen mehr Tempo in die Energiewende bringen könnte.
Anhand von Luftaufnahmen und mithilfe von KI findet das Programm zunächst heraus, wo sich überhaupt PV- oder Solarthermiemodule installieren lassen. Dazu markiert eine automatische Objekterkennung alle Fenster, Schornsteine oder andere Objekte, die sich auf dem Dach befinden. Auf den freien Flächen lassen sich dann einzelne Module visualisieren, um eine Anlage mit der gewünschten Leistung zu planen. Hierbei kommen auch sogenannte Einstrahlungskarten, die beim hessischen Solarkataster hinterlegt sind, ins Spiel.„Das Gute an unserer Software – sie betrachtet die Einstrahlung nur dort, wo sich auch tatsächlich Anlagenmodule installieren lassen. So erhalten wir viel genauere Daten. Und wenn uns dann noch der Stromverbrauch des jeweiligen Hauses vorliegt, haben wir eine sehr gute Basis für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung“, erklärt Jacob Bürkle.
Die drei jungen Männer sind von ihrer Software so überzeugt, dass sie beschließen, am Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz der Uni Tübingen im November 2023 teilzunehmen. Eine Entscheidung, die sich gleich dreifach für sie auszahlen sollte. Denn sie gewinnen sowohl den Umwelt- und Nachhaltigkeitspreis als auch den Publikumspreis des Wettbewerbs. Und darüber hinaus wecken sie das Interesse von Steffen Arta, dem Geschäftsführer der Stadtwerke Dreieich. Als die Offenbach Post bereits im Vorfeld des Wettbewerbs über die drei und ihr innovatives Projekt berichtet, erkennt Steffen Arta das Potenzial, das hinter der Idee steckt und schreibt die Schüler an. Sein direktes Handeln erklärt er so: „Wir als Stadtwerke wollen die Energiewende in Dreieich aktiv vorantreiben. Wir wissen aber auch, wie zeitintensiv es ist, individuell an jedem Haus zu klären, ob sich eine Solaranlage wirtschaftlich lohnt. Mit der KI-basierten Software lässt sich möglicherweise vieles deutlich beschleunigen.“
Mittlerweile haben die drei angehenden Informatikstudenten ihr eigenes Start-up namens Kenergy Solutions gegründet, und eine Zusammenarbeit mit den Stadtwerken ist bereits besiegelt. „Für uns hätte der Start gar nicht besser laufen können, denn wir können unser Knowhow mit dem der Stadtwerke verbinden. Wir wissen, wie wir unsere Software samt KI einsetzen, und die Stadtwerke unterstützen uns mit ihrer Expertise rund um die Wirtschaftlichkeitsbestimmung oder bei Fragen zu rechtlichen Vorgaben für Solaranlagen. All das hilft uns bei der Weiterentwicklung“, so Max Schmidt. Im April und Mai lag die Priorität der Schüler erst einmal auf ihren Abiturprüfungen, doch bis zum Spätsommer werden sie rund 12 000 Dächer in Dreieich analysieren.„Wenn alles wie geplant funktioniert, können wir die Ergebnisse nutzen, um gezielt Haushalte anzuschreiben, deren Dach besonders geeignet für unser PV-Pachtmodell Solarpur ist“, so Steffen Arta. Und er ergänzt: „Zudem könnten die Erkenntnisse auch für die kommunale Wärmeplanung interessant sein. Denn wo hohes PV-Potenzial besteht, lohnen sich auch Wärmepumpen für die Haushalte ganz besonders.“ Die Erfahrungen aus der Kooperation mit den Stadtwerken Dreieich will das Start-up nutzen, um auch auf andere Stadtwerke oder Hersteller von Photovoltaikanlagen zuzugehen. Schließlich stehen sie gerade erst am Anfang ihrer Karriere und haben noch viel vor.